Die vier Türme der Rolling Stones

Bäckstage: Produktionsbesuch Rolling Stones
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Noch sind nur es Skelette, karge, kühle Metallkonstruktionen ohne die Screens, die beim Schweizer Konzert der «No Filter»-Tour die Rolling Stones in bestem Licht zeigen werden. Die vier zentralen Türme dominieren das Bühnenbild. Über 10 Meter breit und gut 20 Meter hoch sind sie und auch ohne Videowand davor gespannt, schon eindrücklich. Ganz uneitel seien die Stones, sagt André Béchir, Inhaber der Veranstalter-Firma ABC Production, bei der Produktionsbesichtigung am Tag vor dem Konzert im Zürcher Letzigrund. Auf dem Screen sei schliesslich jede Falte zu sehen, lacht er. 

 

Drei Tage dauert der Aufbau der Bühne, bis zu 143 Crew-Mitglieder und zusätzliche 125 lokale Arbeiter werden aktiv, bis die Konstruktion steht. Was denn für ihn ein Albtraum wäre, wird Dale Skjerseth, der ebenfalls anwesende Production Director der Tour, gefragt und mit einem Lächeln meint er: «Rain». «No Rain» sei auch der einzige Spezialwunsch der Band, meint Dale, schliesslich hätte man bei den letzten drei Shows mit Regen zu tun gehabt. «Wir hoffen auf einen klaren, sonnigen Tag.» Tatsächlich bringt ihn, der schon mit Guns N Roses oder AC/DC erfolgreiche Tourneen durchgeführt hat, aber nichts so schnell aus der Fassung. «Wenn sämtliche Trucks und alle Leute angekommen sind, dann ist kein Problem mehr da», unterstreicht er. Die Produktion ist mit 25 Trucks und sieben Tourbussen unterwegs. Gearbeitet wird erstaunlicherweise mit nur einer Bühne, also Bauteile wie Technik und Screens, die zusammen in den Trucks transportiert wird, sowie mit zwei Grundkonstruktionen («Set of Steal»), die dann am Veranstaltungsort «dekoriert» werden, wie Dale es nennt. Das ist möglich, weil die Rolling Stones nicht mehr riesige Monstertourneen planen, sondern wenige Termine gebucht werden und zwischen allen Shows jeweils mindestens drei Tage eingeplant sind. Da die Bühne innert 4 Stunden abgebaut und jeweils bis 18 Uhr am Tag nach dem Konzert sämtliche Teile in die Trucks verpackt sind, ist das logistisch gut möglich und bereitet Dale keine schlaflosen Nächte. 

 

Kurzer Rückblick nach 12 Stones-Shows. 

 

Das sieht André Béchir ähnlich und betont die Professionalität der Band und ihres Umfelds. Die Band sei pflegeleicht, sie hätte sogar die eigenen Möbel dabei. Mit der Band selbst hat Béchir aber wenig Kontakt und das bewusst. «Falls sie mich brauchen, bin ich selbstverständlich da, aber sie sollen ihre Privatsphäre haben.» Für ihn ist es die zwölfte Produktion mit den Stones. Da ist ein kurzer Blick in die Vergangenheit erlaubt. Die erste Show mit den Stones hat Béchir 1972 in Bern durchgeführt. «Damals haben sie noch zwei Konzerte an einem Tag gegeben, um 15 Uhr und um 20 Uhr. Sie sind mit Zug angereist und wir haben sie selbst mit dem Auto gefahren», erklärt er. Auf die Frage, welche Show ihm denn in bester Erinnerung geblieben sei, spricht er ohne zu zögern von Basel. «Es war das erste grosse Konzert in einem Fussballstadion, darum mussten wir die Einfahrten vertiefen, weil das Stadion keine für Lastwagen geeignete Einfahrt hatte. Das war spektakulär.» Auch Mick Jagger würde das Konzert noch heute manchmal erwähnen, führt Béchir weiter aus, weil damals der Zug direkt am Stadion vorbeifuhr und manchmal gehupt hätte. «Das ist ihm in Erinnerung geblieben», schmunzelt Béchir. Als zweites Konzert nennt er Dübendorf: «Mit dem Auftritt der Patrouille Suisse und sowieso, auf einem Militärflugplatz ein Konzert veranstalten zu können, war sicher sehr speziell.» 

 

Fotos: Bäckstage / © Patrick Holenstein

 

Zurück ins Letzigrund. Ob die Produktion der Stones denn grösser sei als sonstige Konzerte ähnlicher Grössenordnung, wird André Béchir gefragt. Er verneint, betont aber, dass die Stones mit dem Bühnenkonzept sehr auf das Publikum eingehen würden. Die Bildschirme seinen so gross, dass das Publikum gut sehen könne. «Die Stones haben kapiert, was das Publikum will», betont er. Was er damit meint, ist beim Betrachten der noch rohen, im Aufbau befindenden Konstruktion klar ersichtlich. Die vier Türme stehen nicht willkürlich auf der Bühne, um gut auszusehen, sondern sind wie ein Halbkreis arrangiert. Die äusseren Türme stehen leicht schräg zu den Tribünen, damit der Winkel etwas steiler ist und so nicht seitlich auf den entsprechenden Screen geblickt werden muss. So entsteht ein Bogen, eine Art stille Choreografie, und vermutlich können so auch Zuschauer auf Seitensitzplätzen nahe der Bühne gut auf die Monitore sehen. Was in den Türmen sonst noch so versteckt ist, wird sich aber erst morgen an der Show offenbaren.

 

Die Stones entscheiden zu 100%.  

 

Was aber auf der Bühne passiert, entscheiden zu 100% die Stones. Da ist Dale Skjerseth locker und sagt: «Die Stones setzen die Standards. Sie sind hochprofessionell und wir folgen den Anweisungen.» So funktioniert die Produktion wie ein Uhrwerk, bei dem jedes Zahnrad greift. Anders ist eine Produktion dieser Grössenordnung kaum möglich. Die Band wird ungefähr fünf Stunden vor Showbeginn im Stadion ankommen, dann den Sound-Check – überhaupt nicht selbstverständlich - persönlich durchführen, bis der Sound den vier Rockern passt und dann entspannt sich jeder Stone in seinem persönlichen Dressing Room. Vielleicht wird Mick Jagger auch die Laufbahn nutzen, um sich warm zu machen, wie er es bei vorherigen Letzigrundkonzerten bereits getan hat, wie André Bechir erzählt, denn schliesslich leistet der über 70-Jährige auf der Bühne körperliche Höchstarbeit, da hilft ein gutes Aufwärmen. Ob der bekannte Billard-Tisch, den die Stones oft zur Entspannung dabeihaben, auch in Zürich stehen wird, konnten weder Dale Skjerseth noch André Béchir beantworten. Dale verrät aber, dass die Stones lieber in Stadien spielen, weil sie so näher beim Publikum seien. 

 

Dale verspricht ausserdem eine sehr aufregende Show, verrät, dass man Pyros erwarten darf und auch sonst ein Konzert, wie man es von den Stones kennt. Er muss es wissen, schliesslich hält er alle Fäden in der Hand. Nur die Setlist ist Verschlusssache und die bekommt auch Dale erst eine Stunde vor Showbeginn von den Stones überreicht. Die Songs stellt die Band nämlich nach Lust und Laune persönlich zusammen. So hat auch Dale täglich eine kleine Überraschung. 

 

Wenn morgen Abend die Türme der Stones zu rauchen beginnen, sind drei Tage Arbeit in den Armen der Crew. Dann heisst es #NoFilterZurich und die Stones werden auf der Bühne stehen. Zum letzten Mal? Nicht, wenn es nach den Stones geht. Die arbeiten bereits an neuen Songs. 

  • Die Rolling Stones sind am 20. September im Letzigrund. Es gibt noch ein paar Tickets

 

Patrick Holenstein / Di, 19. Sep 2017